MEIN ANTRIEB

Ich erinnere mich noch genau. Ich war 14, es war ein sonniger Tag und ich lag mit dem Gesicht auf dem Rasen meiner Eltern. Ich war traurig, unendlich traurig wie es nur ein Teenager sein kann. Warum ich traurig war, weiß ich nicht mehr, aber ich hatte das Gefühl, dass nichts auf der Welt mich trösten kann. Drum legte ich mich ins Gras, mit dem Ohr auf den Boden und die Sonne auf meinem Rücken. Die Hände ins Gras vergraben. Ich lag lange so da … gefühlt eine Stunde – und als alle Tränen geweint waren fing ich an, die Welt um mich herum wahrzunehmen.
Die Sonne auf meinem Rücken, das Vogelzwitschern über mir, das kühle Gras unter mir, die feuchte Erde. Und irgendwie wurde ich ruhiger. Es beruhigte mich, dass da so was Festes, Unumstoßbares war, wie die Erde, egal wie meine Welt wackelte. Und meine Gedanken fingen an ins Außen zu gehen…. wie groß die Erde eigentlich ist … und ich stellte mir vor, wie aus meinen Händen und Füßen eine Art Schnüre rauskamen, die durch die Erde hindurchgingen, durch den Rasen, durch die Erde, durch die Gesteinsschichten, durch den Erdkern, bis auf die andere Seite der Welt, und dort trafen die Schnüre auf das Meer auf der anderen Seite, auf andere Menschen, auf andere Tiere.
Und die Fäden spannten sich nach links und nach rechts… und plötzlich merkte ich, wie alles miteinander verbunden war. Jeder Stein, jeder Mensch, jedes Tier. Wie jeder Lufthauch den ich einatme schon mal irgendwo auf der Welt geatmet wurde, wie jeder Wassertropfen im Meer schon mal als Wolke da war, schon mal über die Erde gezogen ist, schon abgeregnet wurde, schon getrunken, eingeatmet, und wieder ins Meer zurück kam. Und dieses Wissen, dass alles schon so lange da ist, und noch lange bleiben wird, beruhigte mich. Zu wissen, dass alles miteinander verbunden ist, alles eins ist.
Diese Verbundenheit die ich damals spürte, hat mich seitdem begleitet. Sei es bei meiner Reise durch Nepal, bei dem ich nicht nur das Land bereiste, sondern ein Teil davon werden wollte. Dazu trekkte ich nicht nur über den Himalaya, sondern verschenkte meinen Schlafsack, meine Sonnencreme, meine Ausrüstung, um wie ein einheimischer Sherpa über den Himalaya zu wandern. Ich schlief im Sari und aß was Einheimische Essen. Ich wollte so sein wie die Menschen dort und fühlen, was sie fühlen. Auf einer Stufe mit ihnen.
Oder in Indien, wo ich nicht den klimatisierten Sightseeing-Bus nahm, sondern den einheimischen Bummelbus, bei dem schon das Kaufen der Karte ein Abenteuer war, da keiner Englisch schrieb oder sprach. Mit Hühnern und Gepäck anderer auf dem Schoß, auf staubigen holprigen Straßen, fühlte ich mich als Teil der Menschen dort und das dankbare Lächeln einer Mutter, deren Kind auf meinem Schoß schlief, machte mir deutlich, wie gleich doch alle Menschen sind. Wir verstanden uns ohne Worte.
Menschen, egal welcher Herkunft und auf welchem Teil dieser Welt, haben die gleichen Bedürfnisse. Wir sind uns ähnlicher als wir denken.
Jede Mutter freut sich, wenn ihr Kind lacht und es ihm gut geht. Jeder Vater würde alles tun, um seine Familie zu beschützen. Jeder weiß wie gut Freunde sind, mit denen man leben, lachen, sich weiterentwickeln kann. Das sind die Dinge, die uns alle einen.
Egal welcher Kultur, welcher Werte, welches Glaubens, welches Lands wir angehören. Der Weg zu einem Menschen, der erste Kontakt, ist dabei so einfach, denn er geschieht ohne Sprache. Es ist ein Gefühl, ein Blick, ein sich auf den anderen Einlassen, ein sich Verstehen, ein Lachen aus der Situation heraus. Dieses Verbundenheit der Welt ist magisch.
Ich glaube, dass wir uns dessen ständig bewusst sein sollten. Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach „Gesehen werden“, nach Geborgenheit, nach Freude, nach Liebe. Das ist der Schlüssel der uns alle verbindet, der Schlüssel zum Frieden.
Vor dem Hintergrund dieser Verbundenheit habe ich, neben meiner Arbeit als Fotografin und visuelle Geschichtenerzählerin, die Serie „SEE SOULS“ gestartet.
Hier stelle ich immer mal wieder meine Fähigkeit als Fotografin nachhaltigen Projekten zur Verfügung. Projekten, die die Welt verbinden und Menschen zueinander bringen.
Denn was ich am Liebsten fotografiere, sind Geschichten von Menschen. Und diese Geschichten übersetze ich in Bilder.